Wenn man durch Frankfurt spaziert, bleibt der Eiserne Steg sofort im Blick – und oft auch im Herzen. Er ist nicht die größte oder älteste Brücke der Stadt, aber er erzählt eine Geschichte, die man sonst nur in alten Chroniken findet: von Bürgerengagement, Main-Leben und einem kleinen Stück Griechenland mitten in der Stadt.
Der Bau der Brücke 1868 war allerdings alles andere als einfach. Die Idee, eine feste Verbindung von Sachsenhausen in die Altstadt zu schaffen, stieß in den Jahrhunderten davor auf Skepsis. Frankfurt war damals noch eine freie Stadt im Deutschen Bund – ein Kaiser hatte hier kein Mitspracherecht. Zuständig war das Stadtparlament und der Magistrat, und die zögerten lange.
Überliefert ist, dass erste Argumente, Obst und Gemüse aus Sachsenhausen über die Brücke transportieren zu können, auf taube Ohren stießen. Erst das „schwere Argument“ Bier soll schließlich überzeugt haben: Wer den Hopfen- und Malztransport erwähnte, bekam die Genehmigung. Ob das wirklich so war, lässt sich nicht belegen – aber es gehört zu den charmanten Geschichten, die sich um den Steg ranken.
Mit Genehmigung in der Tasche gründeten die Bürger eine Stiftung, investierten eigenes Geld und bauten die eiserne Brücke (ca. 170 m lang – andere Fakten über Frankfurt), stabil und funktional, ganz ohne Prunk. Um die Baukosten zu decken, wurde zunächst ein Brückenzoll erhoben. Schon nach 18 Jahren war die Investition refinanziert – und die Frankfurter schenkten die Brücke der Stadt. Ein echtes Zeichen von Gemeinschaftssinn, der bis heute spürbar ist.
Natürlich blieb der Steg nicht unversehrt: Er wurde erweitert, angehoben, im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1946 wieder aufgebaut. Heute ist er Treffpunkt, Aussichtspunkt und Fotomotiv in Einem. Ob man den Blick auf die Skyline genießt oder einfach den Main entlang schlendert – hier spürt man das Herz der Stadt.
Homer über dem Main
Ein besonderes Detail entdecken viele Besucher erst, wenn sie nach oben schauen: alt-griechische Schrift auf dem Querträger.
„ΠΛΕΩΝ ΕΠΙ ΟΙΝΟΠΑ ΠΟΝΤΟΝ ΕΠ’ ΑΛΛΟΘΡΟΟΥΣ ΑΝΘΡΩΠΟΥΣ.“
Es stammt aus Homers Odyssee und heißt:
„Segelnd auf dem weinroten Meer zu Menschen anderer Sprachen.“
Seit 1999 schmückt dieses Zitat den Steg – wie eine kleine philosophische Brücke über die Mainufer hinweg. Frankfurt ist schließlich eine Stadt der Begegnungen, und jeden Tag laufen hier Menschen aus aller Welt über den Eiserner Steg. Homer hätte seine Freude gehabt: Wer über die Brücke geht, erlebt ein kleines Stück Weltoffenheit mitten in der Stadt.
Euer Dimitri
Stadtführer in Frankfurt