Eine neue Kulturmeile entsteht

Erste Schritte und Planungsphase: Wie alles anfing

Schon seit Jahren steht fest: Die Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz (Oper + Schauspiel) ist nicht mehr in einem Zustand, der den Anforderungen der Gegenwart genügt. Die technische Ausstattung, die Probenräume, die Bühneninfrastruktur – alles wurde geprüft, manches gewartet, vieles aber schlicht überholt. In einer Machbarkeitsstudie von 2017 wurde deutlich, dass allein die Sanierung enorme Summen verschlingen würde – teilweise kaum weniger als ein Neubau.

Immer spannend fand ich, dass sich in dieser Phase nicht nur Architekt:innen und Politiker:innen den Kopf zerbrachen, sondern auch viele Menschen, die einfach jahrelang ins Theater gehen, gucken, hoffen. So gab es von Juni bis September 2020 eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) Frankfurt, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt hat: „Zur Zukunft der Städtischen Bühnen: Standorte und Stadträume“.

Untersuchungen wurden angestellt: verschiedene Varianten, Kosten, Ökologie, Nutzerfreundlichkeit, städtebauliche Einbindung. Da gab’s die Idee der “Spiegelvariante”, eines Neubaus der Doppelanlage am alten Ort, des Schauspielhauses irgendwo neu und Oper am Willy-Brandt-Platz, oder eben – die sich mittlerweile durchgesetzt habende – Variante der “Kulturmeile”.

Die Variante „Kulturmeile“: Was heißt das konkret?

“Kulturmeile” – ein Wort, das Hoffnung macht und schon ein bisschen Vision enthält.

Kurz gefasst: Die Oper soll neu gebaut werden am Willy-Brandt-Platz, der Schauspielhaus wird neu errichtet an der Neuen Mainzer Straße 47-51 (das aktuelle Grundstück der Frankfurter Sparkasse) und beide Häuser werden Teil einer städtischen Achse – einer Kulturzone, die sich vom Museumsufer über die Neue Oper bis zum Neuen Schauspiel und der Alte Oper erstreckt. Zwischen Grünanlagen, entlang der Wallanlagen, in Sichtbeziehung zu Museen – eine Art verlängerter Kulturraum, nicht nur zwei einzelne Bauprojekte.

Ein schönes Bild: Stell dir vor, du gehst vom Museumsufer Richtung Alte Oper, weiter durch die Wallanlagen, erreichst die neue Oper am Willy-Brandt-Platz, und gleich ums Eck das Schauspielhaus und weitere Museen – Kultur aneinander gereiht, ein ganzer Spaziergang, der Kultur durch die Stadt sichtbar macht. Kein abseits stehendes Theatergebäude, sondern Teil der urbanen Identität.

Finanzierung und Kosten: Das große Rechnen

Natürlich wirft ein Projekt dieser Größenordnung viele Fragen auf, vor allem rund um die Kosten und die Finanzierung. Aktuell liegen die Gesamtkosten für Oper und Schauspielhaus bei etwa 1,27 bis 1,3 Milliarden Euro. Die Stadt plant, das Grundstück an der Neuen Mainzer Straße im Erbbaurecht zu übernehmen, was einmalig rund 210 Millionen Euro kostet, dazu kommen jährliche Pachtzahlungen von etwa 1,99 Millionen Euro über einen sehr langen Zeitraum – in diesem Fall 199 Jahre. Zusätzlich musste sorgfältig geprüft werden, wie teuer Zwischenlösungen sind: Wo spielt das Schauspiel, während das neue Haus noch im Bau ist, und wohin zieht die Oper vorübergehend? Diese Überlegungen können die Kosten weiter in die Höhe treiben.

Besonders gefallen hat mir dabei, dass man alles daransetzt, den laufenden Betrieb so wenig wie möglich zu stören. Geplant ist, dass zunächst das Schauspielhaus gebaut wird, die Oper dann vorübergehend dorthin zieht, bis ihr neues Haus fertig ist, sodass Stückbetrieb, Proben und Vorstellungen möglichst reibungslos weiterlaufen können.

Politische Debatten und Gegenstimmen

Natürlich war nicht alles ein einfaches „Ja, machen wir sofort“. Es gab – und gibt – durchaus berechtigte Kritik. So weist etwa die Initiative Zukunft Städtische Bühnen auf mögliche versteckte Kosten, auf die CO₂-Bilanz und auf Einsparpotenziale durch eine Sanierung statt eines kompletten Neubaus hin.

Auch der Eingriff in die Wallanlagen sorgt für Diskussionen, ebenso wie die Frage, ob denkmalgeschützte Teile – etwa das berühmte Wolkenfoyer – überhaupt erhalten werden können. Nach aktuellem Stand wäre das, so die Stadt, nur in sehr geringem Umfang oder gar nicht möglich.

Und schließlich steht auch die Finanzierung im Fokus: Wer übernimmt welche Anteile, wie viel tragen Bund und Land bei, und wie stark wird der Frankfurter Haushalt dadurch belastet? Klar ist jedenfalls, dass die Stadt dieses Projekt allein kaum stemmen kann.

Beschlüsse & aktueller Stand

Um Klarheit darüber zu bekommen, wo wir aktuell stehen:
Im Dezember 2023 haben die Stadtverordneten beschlossen, dass die Oper am Willy‑Brandt‑Platz verbleibt, während das Schauspielhaus einen neuen Standort an der Neuen Mainzer Straße erhält. Damit ist die Kulturmeile offiziell beschlossen. Begleitend gibt es eine Rahmenvereinbarung mit Helaba und der Frankfurter Sparkasse, die das Grundstück im Erbbaurecht an die Stadt übergeben, sodass die Planungen, Architekturwettbewerbe und weitere Schritte nun umgesetzt werden können.

Zeitlich wird geschätzt, dass das Schauspielhaus bis 2031 fertiggestellt sein könnte, die Oper voraussichtlich bis 2037.

Die neue Kulturmeile: Was sie sein kann – und was nicht

Ich glaube, dass diese Kulturmeile weit mehr ist als nur der Zusammenschluss von Oper und Schauspielhaus. Sie ist eine große Chance – für urbanes Leben, für Begegnung und für neue Stadträume. Man kann sich vorstellen, wie entlang dieser Achse Grünflächen, Spazierwege und klare Sichtachsen entstehen, die der Stadt Raum zum Atmen geben und Kultur zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags machen. Menschen kommen nicht nur, um eine Vorstellung zu sehen, sondern treffen sich schon vorher oder bleiben danach noch, nutzen Cafés und Plätze, genießen die Atmosphäre. Die Gebäude sollen sich öffnen – auch außerhalb der Spielzeiten – und Raum bieten für Begegnungen, Stadtteilkultur oder kleinere Veranstaltungen. Ein neues Schauspielhaus bedeutet zudem modernere Ausstattung, bessere Arbeitsbedingungen und flexiblere Räume – die Chance also, Theater neu zu denken.

Natürlich birgt ein solches Projekt auch Risiken. Baukosten könnten explodieren, wie es bei Großprojekten oft der Fall ist. Wenn die Übergangslösungen nicht funktionieren, leidet womöglich der laufende Spielbetrieb. Und nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass der versprochene Mehrwert für die Stadtgesellschaft zu gering bleibt – besonders für jene, die nicht ohnehin regelmäßig ins Theater gehen. Dann wäre die Kulturmeile am Ende ein Ort für wenige statt für viele, elitär statt offen und einladend.

Meine persönliche Einschätzung

Ich finde, es ist ein mutiger Schritt, den Frankfurt da geht. Oft genug sieht man Projekte, bei denen viel geredet, aber wenig umgesetzt wird. Hier sieht man, wie aus vielfältigen Prüfungen, Debatten, Varianten – etwas Konkretes entsteht. Ich habe Respekt vor der Geduld und dem Engagement von Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Kultur nicht irgendwo versteckt bleibt, sondern Teil der Stadt wird – sichtbar, erlebbar und vor allem nahbar für alle.

Euer Dimitri
Stadtführer in Frankfurt